Forschungsprojekte
Zwischen Wissensutopie und Archiv. Das Projekt einer „Enzyklopädie der künstlerischen Terminologie“ an der Staatlichen Akademie für künstlerische Forschung in Moskau (1921-1930). Erschließung neuer Quellen (DFG-Projekt)
Im Mittelpunkt des Projekts stehen die Aktivitäten an der Staatlichen Akademie für künstlerische Forschung in Moskau (GAChN) zur Realisierung einer „Enzyklopädie der künstlerischen Terminologie“ (1922–1929) als innovativer Synthese der Begrifflichkeit von Kunst, Philosophie und Kunstwissenschaften. Die Arbeiten an der Enzyklopädie, die unter der Leitung des Philosophen Gustav Špet liefen, wurden infolge der ideologisch motivierten Zerschlagung der Akademie abgebrochen. Kürzlich wurden in der Handschriftenabteilung der Russischen Staatsbibliothek in Moskau zahlreiche neue Dokumente zum Enzyklopädieprojekt entdeckt, die unser Wissen über dieses ambitionierte intellektuelle Projekt der GAChN fundamental erweitern. Sie geben einerseits substantielle Auskunft über die künstlerisch-ästhetische Begriffsbildung, mit deren Hilfe das gesamte Feld des Kunstwissens (im Bereich der Raumkünste, der Musik, des Theaters, der Literatur, der Produktionskunst und des Designs) neu kartographiert werden sollte. Sie zeigen andererseits, in welch starkem Maß die Ausarbeitung der ästhetischen Terminologie auf die kulturellen Initiativen der frühen Sowjetunion (internationaler Kunstaustausch, Ausstellungsorganisation, Neuordnung der musealen Sammlungen, Bildungsprojekte in angewandter Kunst und Design) bezogen war, von ihnen Impulse zur Schaffung neuer Wissensordnungen empfing und auf diese zurückwirkte. Die neuen Archivfunde werden es ermöglichen, das Enzyklopädieprojekt in der europäischen Geistesgeschichte zu verorten. Im Rahmen des Projekts werden diese neuen Materialien untersucht, kontextualisiert, bio-bibliografisch aufgearbeitet und in einer repräsentativen Auswahl zugänglich gemacht.
https://gepris-extern.dfg.de/gepris/projekt/386757512
Freiheitsdiskurse in Russland
DFG fördert ein neues Projekt zur russischen Ideengeschichte an der RUB
Am Lotman-Institut für russische Kultur der RUB startet ein neues Forschungsprojekt zum Thema „Freiheitsdiskurse in der russischen Ideengeschichte“. Das Projekt widmet sich der Frage, welche Bedeutung die Freiheit als Idee und Begriff im politischen und kulturellen Bewusstsein Russlands seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein hat: Anhand der Analyse semantischer Transformationen der Freiheitsbegriffe sollen im Projekt die zentralen Traditionslinien des Freiheitsverständnisses in der russischen Ideengeschichte systematisch untersucht werden. Projektleiter ist PD Dr. Nikolaj Plotnikov. Projektmitarbeiterin ist Dr. Svetlana Kirschbaum.
Im europäischen Diskurs der Moderne wird Russland zumeist als ein politischer Raum angesehen, in dem sich in Geschichte und Gegenwart keine freiheitliche politische Kultur entwickeln konnte und – im Gegensatz zum politischen Raum des ‚Westens‘ – Traditionen von Unfreiheit und Autoritarismus herrschen. Ziel des Projekts ist es hingegen zu zeigen, dass trotz der autoritären Tendenzen des russischen Staates Freiheitsdiskurse entstanden sind, die für die Konstituierung der Öffentlichkeit in Russland eine fundamentale Rolle gespielt haben. Dabei ist der Freiheitsbegriff einer der am stärksten umkämpften Begriffe der russischen Ideengeschichte: Er ist nicht nur ein deutlicher Indikator der sich herausbildenden Öffentlichkeit, sondern auch eine wesentliche Herausforderung für den herrschenden Diskurs der Macht.
Die Aufgabe des Projekts ist es zum einen zu klären, welche Aspekte von Freiheit in der russischen ‚intellectual history‘ in besonderer Weise relevant werden, und sie mit den (west)europäischen Thematisierungen von Freiheit vergleichen. Zum anderen soll gezeigt werden, welche Funktion die philosophischen Freiheitsbegriffe im Prozess der Herausbildung des öffentlichen Diskurses erfüllen.
Das Projekt ist insgesamt auf sechs Jahre angelegt (die erste Förderphase beträgt drei Jahre). In dieser Zeit sind, neben der Veröffentlichung von Aufsätzen in Fachzeitschriften, die Herausgabe eines Quellenbandes zur Philosophie der Freiheit in Russland und eine Monographie mit der Rekonstruktion des Begriffsfeldes der Freiheit vorgesehen.
Die Aktivitäten des Projekts zielen zudem auf einen Ausbau der nationalen und internationalen Kooperation sowie eine Koordinierung der Forschung zur russischen Philosophie und Ideengeschichte in Deutschland ab.